Sicher in digitalen Welten unterwegs sein, ist das A und O auch für die Berufswelt.
Alle Mitarbeiter:innen der Versicherungswirtschaft auf diesem Weg mitzunehmen ist Ziel der Kampagne „Discover Digital“.

Hier erwarten Sie spannende Einblicke und Lerninputs zum Thema Digitalisierung sowie ein interessanter Podcast. 
Eine Entdeckungsreise in die digitale Transformation der Versicherungswirtschaft. Zwischenstopps sind Personalthemen, Kultur(entwicklungs-)fragen, Lernansätze, Tools.

Lernen 2030 in der Versicherungswirtschaft

Wie sieht das Lernen 2030 aus? Warum, wie, was, wann, wo und mit wem wir lernen, sind unsere Leitfragen zum Lernen in der Branche. Literaturauswertungen und Gespräche mit Bildungsexepert:innen zeichnen ein spannendes Zukunftsbild, das wir in fünf Thesen zusammengefasst haben.

5 Thesen zur Zukunft des Lernens

These 1 - Warum?

Die Motive, zu lernen, befinden sich stark im Wandel

Für die Jüngeren gilt: Die Erfüllung der eigenen Lebensziele wird als Motiv für die eigene Weiterbildung an erster Stelle stehen. Weiterbildungen werden auch für den privaten Bereich, für die Persönlichkeitsentwicklung oder für zukünftige Jobs ins Auge gefasst. „(…) Weiterbildung gehört wie selbstverständlich zu einem modernen Lebensstil dazu“, schreibt die Studie Weiterbildung 2025 von HRpepper Management Consultants und der Bitkom Akademie (2020, S. 15). „Die Grenzen zwischen beruflicher und privater Weiterbildung verschwimmen. Permanentes Lernen bei der Arbeit und in der Freizeit ist Teil der Selbstverwirklichung vieler Menschen geworden. Und sie investieren auch privat finanziell in ihre Weiterbildung.“

Für die erfahrenen Berufstätigen rückt möglicherweise eine andere Motivation stärker in den Vordergrund: Die Digitalisierung in der Versicherungswirtschaft bringt Veränderungsdruck für jeden einzelnen mit sich. Die zunehmende Anforderung, unter „New Work“-Bedingungen schnell und flexibel zu arbeiten, verändert mit noch stärkerem Druck die Arbeitsbedingungen (vgl. Hutschenreiter u.a., 2020, S. 18-45). Und Veränderung heißt per se: Lernen. Egal, ob ein:e Mitarbeiter:in diesen Druck selbst verspürt und sich aus eigenem Antrieb darum bemüht, neue Arbeitstechniken, Tools, oder Wissen zuzulegen, sein / ihr Mindset weiter zu entwickeln oder ob Vorgesetzte die Weiterentwicklung der Kenntnisse und des Knowhows treiben: Am Ende ist es für die Versicherungswirtschaft (über)lebensnotwendig, alle Beschäftigten mitzunehmen. Die Arbeitgeber selbst haben eine eigene, hohe Motivation, dass sich ihre Beschäftigten weiterbilden.

Für vertrieblich Tätige gilt seit 2018 die gesetzliche Pflicht zur Weiterbildung. Mindestens 15 Stunden Weiterbildungszeit im Jahr müssen sie nachweisen können (siehe Gesetz zur Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie). Mit der Initiative gut beraten hatte die Branche allerdings noch ein anderes Ziel verfolgt: vertrieblich Tätige suchen sich aus eigenem Antrieb die für sie wichtigen Weiterbildungen heraus, um sich gegenüber ihren Kund:innen professioneller aufzustellen und ihre berufliche Entwicklung voranzutreiben. Die Initiative macht das starke persönliche Engagement sichtbar. Seit 2018 ist spürbar, dass mit der gesetzlichen Regelung die persönliche Motivation tendenziell nachgelassen hat. Die Themen, welche die Aufsichten als anrechenbar zulassen, sind eng gesteckt. Erkennbar ist, dass der Fokus derzeit eher darauf liegt, die gesetzlich geforderte Stundenzahl zu absolvieren.

Unsere Perspektive

In der Versicherungswirtschaft werden in der Zukunft neuartige Kompetenzen benötigt. Das im Jahr 2022 in Kraft getretene und neugeordnete Ausbildungsberufsbild berücksichtigt diese Anforderungen. Klassische Sachbearbeitung entwickelt sich immer mehr hin zu komplexerem, kundenfokussiertem und selbständigem Arbeiten. Insofern hat die Branche gute Chancen, genau solche Jugendliche für sich zu gewinnen, die ein hohes Maß an Sinnstiftung, Sicherheit des Arbeitsplatzes und auch Kreativität und Selbsterfüllung im Beruf suchen. Diese Arbeitsplatzcharakteristika werden gemäß der Shell-Studie 2019 (S. 26-29) von vielen jungen Menschen geschätzt.

Die Versicherungswirtschaft als Arbeitgeber tut gut daran, sich intensiv darum zu kümmern, die digitale Transformation und die Umstellung der Arbeitswelt mit allen Beschäftigten zu meistern. Der BWV Bildungsverband leistet einen flankierenden Beitrag für Personalentwickler:innen und Ausbilder:innen. Mit seiner Initiative Discover Digital stellt er einen spannenden Experten-Blog rund um die Digitalisierung und Transformation der Branche für alle frei zugänglich zur Verfügung. Regelmäßige Austauschrunden der Personalentwickler:innen sorgen dafür, dass die Ideen dazu nicht ausgehen. Für alle, die sich auf die digitalisierte Versicherungsarbeit unter New-Work-Bedingungen vorbereiten wollen, stellt das Bildungsnetzwerk (die BWV Regional und die DVA) ein umfangreiches Weiterbildungsangebot zur Verfügung.

In 2030 ist es für jede:n vertrieblich Tätige:n selbstverständlich, die gesetzlichen 15 Stunden zu dokumentieren. Als BWV Bildungsverband halten wir an unserem ursprünglichen Ziel fest: Die Professionalisierung im Vertrieb durch ein starkes Weiterbildungsengagement zu stärken. Wir haben zusätzlich zu unserem 30-Stunden-Zertifikat ein neues Weiterbildungssiegel aufgelegt. Damit können diejenigen, die sich über das gesetzliche Maß hinaus weiterbilden, das auch nach außen zeigen.
Und noch etwas: Unser neu geordneter Studiengang Fachwirt:in für Versicherungen und Finanzen, der ab 2024 zur Verfügung stehen wird, soll ein spezifisches Angebot gerade auch für Seiteneinsteiger:innen im Vertrieb darstellen. Damit steigen sie dann – nach Absolvieren der Sachkundeprüfung als Mindestanforderung – in eine professionalisierte Berufslaufbahn ein. Denn: In Zukunft werden die Versicherungsangebote, für die der persönliche Vertrieb benötigt wird, komplexer und anspruchsvoller sein. Das bedeutet, dass im Vertrieb ein weitaus höheres Qualifikationsniveau erforderlich sein wird, um im Markt bestehen zu können (vgl. Hutschenreiter u.a., 2020, S. 23).

These 2 - Wie?

Die Art und Weise des Lernens ändert sich grundlegend

Jedem, der Zugang zum Internet hat, steht das gesamte Wissen der Welt zur Verfügung. Theoretisch. In der Zukunft wird es leicht sein, einen genau auf den eigenen Bedarf abgestimmten Lernpfad durch diesen „Dschungel der Bildungsmöglichkeiten“ einzuschlagen. So kann – und muss auch – jede und jeder selbstverantwortlich und selbständig die Kompetenzen erwerben, die er/sie gerade benötigt. Formale Abschlüsse nehmen eine andere Bedeutung ein. Sie entwickeln sich zu Meilensteinen auf dem Weg der individuellen Bildungsbiographie.

Der Zugang zu Wissen und Knowhow ist heute unfassbar leicht geworden. Online ist so gut wie alles zu finden, was es braucht um im Beruf erfolgreich zu sein: YouTube erklärt alle Fragen, Google, spezielle Foren, Austauschplattformen, internationale Kursangebote zu privaten und beruflichen Lernwünschen bieten alles was das Herz begehrt. Dieses Angebot trifft auf eine steigende Nachfrage, denn die durch Digitalisierung und New Work zunehmende Veränderungsgeschwindigkeit führt dazu, dass immer häufiger gelernt werden muss und dies zu immer spezifischeren Fragestellungen: Hat man im Arbeitsprozess eine konkrete Frage, wird die Antwort in kürzester Zeit und durch eine „kleine Lernerfahrung“ gegeben (vgl. Becker & von der Gracht, 2014, S. 71; Zukunftsinstitut, 2013, S. 8). Lernen nach Bedarf und direkt im Arbeitsprozess werden wichtiger, weil sich nicht mehr auf Vorrat lernen lässt: Lernen wird „nuggetisiert“ (vgl. HRpepper Management Consultants & Bitkom Akademie, 2020, S. 15; BDA, 2021, S. 8).

Die Verbreitung von Lernnuggets geht einher mit einer steigenden Bedeutung von Eigenschaften wie Lernbereitschaft und dem Willen Verantwortung zu übernehmen („growth mindset“), sowie sich auf agile Arbeitsweisen im Team einzulassen, zuhören können und funktionsübergreifend, kundenzentriert zu denken. Damit stellt sich auch die Frage, wie man ein solches Mindset trainieren oder gar vermitteln kann. Um solche Handlungskompetenzen zu entwickeln, reichen kleinere Lern-Nuggets nicht aus. Hier ist ein längerer Lernweg zu einem höheren Ziel und zu solchen übergreifenden Kompetenzbündeln hin wichtig, die ein Fundament für weiteres Lernen erst legen.

Wie will denn der/die Lernende lernen? Schon immer gab es individuelle Präferenzen. Durch die digitale Transformation haben sich Lernanforderungen geändert und noch stärker ausdifferenziert: Die Aufgaben sind vielfältiger und über ein Team verteilt (es machen nicht mehr alle die gleiche Arbeit). Für Führungskräfte wird es zunehmend schwierig zu erfassen, wer welches Knowhow hat und benötigt. Es kann auch in Frage gestellt werden, inwieweit dies überhaupt noch relevant ist. New Work befähigt die/den Einzelnen zu selbstständigem Handeln und etabliert das Erfordernis von selbstverantwortlichem Lernen. Um die vorausgesetzte Selbstverantwortung zu fördern, sind spezifische Methoden des Lehrens und Lernens erforderlich, wie zum Beispiel Planspiele, Serious Games, Team-Learning, Mentoring oder Coaching (vgl. BDA, 2021, S. 4-5, 7-8, 10-11; Sgier, Schenkel & Dernbach-Stolz, 2019, S. 18-23). Die Digitalisierung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz unterstützen diese Entwicklung indem sie personalisiertes Lernen mit individuellen Lernpfaden in neuem Ausmaß ermöglichen (vgl. FernUniversität in Hagen, 2021, S. 4-7; mmb Institut, 2020-2021, S. 14).

Die veränderte Arbeitswelt erfordert auch einen deutlich stärkeren Fokus auf das selbstgesteuerte Arbeiten im Team und folglich auch das selbstverantwortliche Lernen und Entwickeln aus dem Team heraus. Teams lernen kollaborativ und in selbstorganisierten Lerngruppen mit strukturierten Verfahren wie z.B. Learning Circles, Working Out Loud oder Peer Learning. Digitale Tools unterstützen auch hier, indem sie das Rendez-vous-Problem lösen und diejenigen auf einer Plattform zusammenführen, die das gleiche und/oder voneinander lernen wollen.

Unsere Perspektive

Die Versicherungsunternehmen haben ihre Lernangebote bereits deutlich diversifiziert und ermöglichen damit ein arbeitsplatznäheres und selbstverantwortlicheres Lernen (vgl. BWV & AGV, 2021).

Dem BWV als Bildungsverband ist es ein Anliegen, dass die Versicherer in Bezug auf die Zukunft des Arbeitens und Lernens in einen guten gegenseitigen Austausch kommen, der der Reputation der Branche als Ganzes zu Gute kommt. Austauschplattformen hierfür sind u.a. die Ausschüsse: Personalentwicklung in der Versicherungswirtschaft (PE), Bildungsmanagement Berufliche Erstausbildung und Fortbildung in der Versicherungswirtschaft (BIBER) und Lernsysteme und Bildungstechnologien (LuB) sowie der Bildungskongress und weitere Austauschformate.
Schwerpunkte der Diskussionen werden die oben genannten Trends bilden, die in der Corona-Pandemie eine enorme Beschleunigung und Dramatisierung erlebt haben: Beschäftigte sitzen nun von ihren Teams entfernt und arbeiten remote. Hierdurch wird die Individualisierung des Lernens besonders deutlich. In kürzester Zeit haben die Versicherungsunternehmen die Möglichkeiten zum selbstgesteuerten Lernen ausgebaut. Sie sind nun gefordert, das Lernen in der Zeit nach der Pandemie neu zu organisieren. Soviel steht fest: Die Entwicklung der Unternehmen hin zum selbstgesteuerten Lernen wird keine Renaissance oder Rückkehr zu Formen des Präsenzlernens in größeren Gruppen zulassen (vgl. HRpepper Management Consultants & Bitkom Akademie, 2020, S. 15, 21). Die Pandemie hat gezeigt, dass virtuelle Formen des Lernens erfolgreich sind.

Bei aller Individualisierung und „Nuggetisierung“ des Lernens ist die Position des BWV Bildungsverbands, dass neues und kleinteiliges Lernen bestmöglich auf einer gut strukturierten Wissensbasis aufbauen muss. Um Neues einordnen zu können, um Wichtiges von Unwichtigem, um Fakten von Meinungen differenzieren zu können, um sich entscheiden zu können, ob Lernangebote passen oder nicht, benötigt es ein Fundament. Aus diesem Grund engagiert sich der BWV Bildungsverband dafür, entsprechende Kompetenzen in Neuordnungsverfahren aufzugreifen und die geregelten Bildungsangebote als Fundament auszulegen.

These 3 - Was?

Die Inhalte des Lernens erfahren eine neue Gewichtung

Die längerfristig gesicherte Bedeutung des fachlichen Detailwissens sinkt weiter, während das fachliche Fundament, die berufliche Handlungskompetenz und eine angemessene berufliche Grundhaltung (Mindset) für erfolgreiches berufliches Handeln unabdingbar werden.

Fachwissen brauchen wir noch als Struktur und Fundament für eine tägliche Anpassung, zumindest bis wir eine Schnittstelle zwischen Gehirn und Rechner haben (vgl. Becker & von der Gracht, 2014, S. 70). Die versicherungsfachlichen Kernkompetenzen erweitern sich und adressieren branchenspezifisch die Querschnittsthemen Nachhaltigkeit und digitale Transformation. In den modernisierten Berufsbildpositionen der Erstausbildung sind die Themen seit 2021 gesetzt und finden zunehmend Eingang in alle Branchenqualifizierungen (vgl. BIBB, 2021, S. 5-6, 12-14). Es wird aber nicht mehr ausreichen, den Status Quo des Fachwissens zum Zeitpunkt der jeweiligen Qualifizierung zu erreichen. Vor dem Hintergrund des kontinuierlichen Lernens, auch in Eigenregie, erfahren metakognitive Kompetenzen und Strategien – das Wissen und die Fähigkeit Problemlösungs- und Lernprozesse zu organisieren – einen enormen Bedeutungszuwachs (vgl. Hasselhorn, 1992, S. 35-63).

In einer Welt, in der Wissen immer und überall verfügbar ist, Automatisierungsprozesse und KI-Einsatz Tätigkeitsprofile verändern und Plattformökonomien Potenziale für neue Geschäftsmodelle eröffnen, hängen der individuelle berufliche und der Unternehmenserfolg zunehmend von transversalen Kompetenzen der Mitarbeiter:innen und einer angepassten Führungskultur ab (vgl. Biener u.a. 2021, S. 21-30).

Zukunftskompetenzen: Wir müssen auf jeden Fall verstärkt das lernen, was Maschinen nicht können. Gefühle ausdrücken, erkennen und darauf angemessen reagieren, kritisch Denken, vernetzt Arbeiten und selbstgesteuerte Teams digital führen (vgl. HRpepper Management Consultants & Bitkom Akademie, 2020, S. 15, 21). Wir brauchen interkulturelle Kompetenzen, Problemlösungskompetenz, Veränderungsfähigkeit und „transformative Kompetenzen“ zwischen und im Zusammenspiel von Einstellungen und Fähigkeiten (OECD 2022; Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, 2021, S. 6). Für die Versicherungsbranche spezifiziert die vom schweizerischen Versicherungsverband beauftragte Studie die Zukunftskompetenzen, als die transversalen Kompetenzen zum agilen, kooperativen und vernetzten, kundenzentrierten, digitalen, verantwortlichen und wertorientierten Arbeiten (vgl. Biener u.a. 2021, S. 21-30).

Die größte Herausforderung: Wie kann man diese Zukunftsfähigkeiten und Einstellungen lernen und wie können Unternehmen den Beschäftigten „Biotope“ bieten, in denen sie die neuen Fähigkeiten erproben und entwickeln können, so dass die Transformation gelingt (vgl. Zukunftsinstitut, 2013, S. 14; Sgier, Schenkel & Dernbach-Stolz, 2019, S. 18-23)?

Neue Rolle von Führung: Führungskräfte stehen vor der Herausforderung die Zukunftskompetenzen zu fördern, „Biotope“ zu schaffen, aber auch ihr eigenes Führungsverhalten neu auszurichten. Es gilt in einem von hybridem Arbeiten geprägten Arbeitsalltag mit Distanz zu führen. Wobei Führung unter den Bedingungen von eigenständig organisierten Teams und individuellen Arbeitsprozessen zunehmend zum Coaching wird. Es gilt die Distanz zu überbrücken, Vertrauen aufzubauen und die Mitarbeiter:innen zu Empowern, damit entstehende Problematiken direkt kommuniziert und angegangen werden können, um die ganze Kraft der Intrapreneure freizusetzen.

Unsere Perspektive

Es ist die ureigene Aufgabe des BWV Bildungsverbands, ein zukunftsgerichtetes Bildungssystem für die Versicherungswirtschaft zu gestalten. Im Rahmen von Neuordnungen der Berufsbilder wird dieser Aspekt erneut überprüft und weiter verstärkt. In der neugeordneten Erstausbildung sind neben der thematischen Verankerung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung auch die Zukunftskompetenzen problemlösungsorientiertes, agiles, vernetztes und kollaboratives Arbeiten mit wert- und kundenorientierter Haltung enthalten (vgl. KMK, 2021, S. 9-22; BMWK & BMBF, 2022). In den Versicherungsunternehmen und -betrieben wird sich die Aus- und Weiterbildung ebenfalls auf die Förderung der Zukunftskompetenzen ausrichten.

Mit der iterativen Entwicklung von Formaten wie dem PE-Lean Coffee, das agile Prinzipien nutzt, wirkt der BWV Bildungsverband gleich in doppelter Hinsicht: Zum einen werden neue Methoden erprobt und zum anderen Biotope für Personalentwickler:innen geschaffen, in denen neue Ideen ausgetauscht und überprüft werden können.

These 4 - Wann und wo?

Die Individualisierung von Lernen und Prüfungen

Lernen wird verstanden als Aneignung von Kompetenzen, egal wo, wann und über welchen Zeitraum hinweg dies geschieht. Die Bedeutung und Anerkennung von informellem und non-formalem Lernen steigt. Lernen, auch formales Lernen, wird sich stärker an die Lebenssituationen der Beschäftigten anpassen.

Die Anpassung der Größe der Lerneinheiten in Form von Learning Nuggets oder Microcredentials wird schon lange diskutiert. Durch die Corona-Pandemie konnte sich dieses Verständnis von Lernen in der Unternehmenspraxis und im Privaten etablieren. Wenn Lernen so verstanden wird, dass es überall und jederzeit geschieht und auch non-formales und informelles Lernen umfasst (Lernen-to-go), dann bedeutet das, dass neue Prüfungs- und Kompetenzfeststellungsverfahren notwendig werden, die weiterhin Aussagen über Fähigkeiten und Kenntnisse von Beschäftigten ermöglichen (vgl. Arbeitsgruppe 9+1, 2022, S. 42-43).

Darüber hinaus wird in der bildungspolitischen Debatte zum einen darüber nachgedacht, wie die Ergebnisse kleinerer Lernereignisse beschrieben, systematisiert und sogar zu größeren Kompetenzeinheiten gebündelt werden können (vgl. FernUniversität in Hagen, 2021, S. 6; Zukunftsinstitut, 2013, S. 9-14). Zum anderen wird der gegenteilige Ansatz verfolgt, größere curriculare Bildungsgänge in Module zu untergliedern und mit eigenen Abschlüssen zu versehen, die separat auf dem Arbeitsmarkt verwertbar sein sollen. Dieser Trend zeichnet sich auch bei formalen Abschlüssen ab.

Unsere Perspektive

Die Beschäftigten in der Versicherungswirtschaft besitzen durchgängig ein hohes Maß an Formalqualifikation (mittlere und höhere Schulabschlüsse, Ausbildungsabschlüsse und Hochschulabschlüsse, vgl. AGV, 2021, S. 12-13). Darüber hinaus steht der Branche eine Vielzahl an weiteren Formalqualifikationen sowohl im beruflichen als auch im akademischen Bildungsbereich zur Verfügung.

Dennoch sind die Herausforderungen in der Versicherungswirtschaft genau die gleichen wie in allen anderen dynamischen Branchen. Der Wunsch der Lernenden nach formalem Lernen mit Abschlüssen ist nach wie vor hoch. Für die Versicherungswirtschaft gilt es zum einen, die Möglichkeit einer stärkeren Modularisierung der staatlich geregelten Fortbildungen in der Branche im Rahmen der Neuordnung des Fachwirts für Versicherungen und Finanzen zu überprüfen. Ein weiterer Ansatzpunkt ist es, die bestehenden und in der Branche weit verbreiteten formalen, aber nicht gesetzlich geregelten Branchenabschlüsse auf der Stufenskala des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) abzubilden und damit eine stärkere Orientierung für die Beschäftigten zu bieten.

These 5 - Mit wem?

Die neuen Rollen für Lehrende und Bildungsanbieter

Bevor sich die Lernlandschaft so verändert, dass es keine klassischen Bildungsanbieter mehr braucht, werden Bildungsanbieter sich neben die Lernenden stellen, ihnen individualisierte Lernumgebungen anbieten und ihnen helfen, sich darin zurechtzufinden.

Ausgehend von der These, dass der Mensch zukünftig überwiegend selbstverantwortlich sowie jederzeit und überall lernt und die Inhalte kostengünstig global zur Verfügung stehen, wird die Rolle der bisherigen Lernanbieter völlig verändert sein. Es ist in der fernen Zukunft eine Welt denkbar, in der gar keine „Weiterbildungsanbieter“ mehr erforderlich sind, dann nämlich, wenn Lernende über Algorithmen permanent die passenden Lernangebote in ihre „timeline“ eingespielt bekommen (vgl. Münchner Kreis & Bertelsmann Stiftung, 2020, S. 138-139, 146-147, 150-151, 155). In einem gedanklichen Zwischenschritt müssen Anbieter der näheren Zukunft Lernlotsen, Lernförderer und Lernunterstützer sein, die auf künstliche Intelligenz zurückgreifen.

Es ist nicht neu, dass neben dem Erwerb von Wissensstrukturen über formale Qualifikationen, die auch in der Zukunft weiterhin Bedeutung haben werden, kleinteiliges non-formales und informelles Lernen stattfindet. Heute und in Zukunft ist die Schlagzahl höher, der Griff zur Google-Recherche im Verlauf eines Arbeitstags wird immer häufiger. Die Bildungsanbieter können heute auf KI-gestützte adaptive Lernumgebungen* zum Lernverhalten zurückgreifen. Die Daten der Lernenden werden genutzt, um Lernprogramme intelligent zu gestalten (vgl. Meier, 2019, S. 1-21). Ein Beispiel hierfür ist die Sprachlern-App Duolingo.

Gleichzeitig kommt den Lehrenden vermehrt die Rolle von Coaches zu, die zu Lernprozessen befähigen, helfen das richtige Angebot zu finden und Peer-Learner vermitteln. Für Bildungsanbieter ist es zunehmend relevant eigene Plattformen für das gemeinsame Lernen, auch digital, zur Verfügung zu stellen. Es gilt didaktische Konzepte zu entwickeln, welche hochgradig individualisierte Lernerlebnisse ermöglichen und vermehrt auch Zukunftskompetenzen fördern.

*KI-basierte, adaptive Lernumgebungen sind Lernumgebungen, die sich in Echtzeit an die Benutzer und ihren Lernstand anpassen. Dies geschieht auf der Grundlage einer durch Algorithmen gesteuerten Verarbeitung von Daten (Meier, 2019, S. 1)

Unsere Perspektive

Personalentwickler:innen und Bildungsanbieter:innen sollten sich mit den Möglichkeiten der IT im Rahmen der Angebotserstellung auseinandersetzen. In der PE-Abteilung sollten sich Beschäftigte zu einem eigenen Kompetenzprofil „Learning Architects“ oder „Zertifizierter Learning Engineer“ weiterbilden. Neben der technischen Kompetenz kommt der Rolle als Lernbegleiter und Coach eine zentrale Bedeutung zu. Auch hier gilt es, die entsprechenden Kompetenzen bei Bildungsverantwortlichen, Dozent:innen und Trainer:innen weiter auszubauen. Um adaptive Lernprogramme zu entwickeln, werden große Datenmengen von Lernenden benötigt. Ein einzelnes Unternehmen, ein einzelner Anbieter hat in der Regel keinen Zugriff auf eine so große Datenmenge. Hier wäre zu überlegen, ob die Versicherungswirtschaft sich über das BWV und die DVA zusammenschließt, um die Datenmengen gemeinsam zu erheben und daraus sowohl für Unternehmen als auch für die Bildungsanbieter kuratierte Bildungsangebote mit KI-Unterstützung zur Verfügung zu stellen.

Zukunftsthesen Literatur

  • Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland e.V. (AGV) (2021): Sozialstatistische Daten 2020 Versicherungswirtschaft. (Online, 28.10.2021).

  • Arbeitsgruppe 9+1 (2022): Zukunftsfähig bleiben! 9+1Thesen für eine bessere Berufsbildung. Bonn 2022 (Online, 27.04.2022).

  • Becker, M. & von der Gracht, H. (2014): Lernen im Jahr 2030. Von Bildungsavataren, virtuellen Klassenräumen und Gehirn-Doping in der Führungs- und Fachkräfteentwicklung. Szenarien auf Basis einer Delphi-Experten-Befragung. (Institute of Corporate Education e.V. (incore)) Jena. (Online, 22.04.2022).

  • Berufsbildungswerk der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (BWV) & Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland e.V. (AGV) (2021): Bildungsumfragen der Versicherungswirtschaft. (Online, 20.04.2022).

  • Biener, C., Braun, A, Schmeiser, H., Scharnhorst, U., Schweri, J. & Burch, I. (Schweizer Versicherungsverband) (2021): «Skills der Zukunft» für die Assekuranz. (Online, 19.04.2022).

  • Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) (2021): Vier sind die Zukunft. Digitalisierung. Nachhaltigkeit. Recht. Sicherheit. Die modernisierten Standardberufsbildpositionen anerkannter Ausbildungsberufe. (Online, 19.04.2022).

  • Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) & Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (2022): Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzanlagen und zur Kauffrau für Versicherungen und Finanzanlagen (Versicherungs-und-Finanzanlagen-Kaufleute-Ausbildungsverordnung – VersFinKflAusbV). (Online, 20.04.2022).

  • Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) (2021): Neue digitale Weiterbildungstools in der betrieblichen Praxis. Trends, Chancen, Hürden. (Online, 23.06.2021).

  • FernUniversität in Hagen (Hrsg.) (o.J.): Lernen neu denken. Das Hagener Manifest zu New Learning. (Online, 27.04.2021).

  • Hasselhorn, M. (1992): Metakognition und Lernen. In: G. Nold (Hsrg.): Lernbedingungen und Lernstrategien: welche Rolle spielen kognitive Verstehensstrukturen? Tübingen, 35-63. (Online, 19.04.2022).

  • HRpepper Management Consultants & Bitkom Akademie (Hrsg.) (2020): Weiterbildung 2025. Berlin. (Online, 05.07.2021).

  • Hutschenreiter, G. u.a. (2020): Vision Versicherungen 2030. Die Versicherungswelt in Deutschland. (Online, 27.10.2021).

  • Kultusministerkonferenz (KMK) (2021): Rahmenplan für den Ausbildungsberuf Kaufmann für Versicherungen und Finanzanlagen und Kauffrau für Versicherungen und Finanzanlagen. (Online, 22.04.2022).

  • KVF-Guide (2024): Erläuterungen zur Neuordnung der Ausbildung Kaufmann/Kauffrau für Versicherungen und Finanzanlagen (KVF-Guide)

  • Meier, C. (2019): KI-basierte, adaptive Lernumgebungen. In: K. Wilbers (Hrsg.): Handbuch E-Learning (Deutscher Wirtschaftsdienst) Köln, 1-21. (Online, 22.02.2022).

  • Mmb Institut GmbH (Hrsg.) (2021): Weiterbildung und Digitales Lernen heut und in drei Jahren. Home-Office mischt die E-Learning Branche auf. Ergebnisse der 15. Trendstudie „mmb Learning Delphi“. (Online, 28.10.2021)

  • Münchner Kreis & Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2020): Leben, Arbeit, Bildung 2035+. Durch Künstliche Intelligenz beeinflusste Veränderungen in zentralen Lebensbereichen. Zukunftsstudie MÜNCHNER KREIS Band VIII. (Online, 09.02.2022).

  • Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) (o.J.): The OECD Learning Compass 2030. (Online, 20.04.2022).

  • Scharnhorst, U. (2021): Transversale Kompetenzen – notwendig, erwünscht und schwierig zu erreichen. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis (BWP), 1/2021 (50), S.18-23. (Online, 19.04.2022).

  • Sgier,I., Schenkel, R. & Dernbach-Stolz, S. (Schweizerischer Verband für Weiterbildung (SVEB)) (2019): Erster Trendbericht. TRANSIT Think Tank for Adult Learning. Fokusthemen und Szenarien zur Zukunft der Weiterbildung. (Online, 28.10.2021).

  • Shell Deutschland GmbH (Hrsg.) (2019): Zusammenfassung Shell Jugendstudie. (Online, 14.01.2022).

  • Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. (Hrsg.) (2021): Future Skills 2021. 21 Kompetenzen für eine Welt im Wandel. Diskussionspapier Nr. 3. (Online, 22.04.2022).

  • Zukunftsinstitut GmbH (Hrsg.) (2013): Future Learning: Kreativ und flexibel. Know-how wird situativ: Problemlösungskompetenz ist die wertvollste Ressource der Wissensgesellschaft von morgen. Frankfurt am Main. (Online, 01.06.2021).

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